Wer nicht gerade hauptberuflich mit so Zeug zu tun hat (wie zum Beispiel ich), kann natürlich skeptisch werden.
Problematisch ist eher, dass der durchschnittliche, Geldschneiderei witternde Skeptiker faktenresistent ist:
Niko hat geschrieben:
Die Chrash-These könnte auch gut von der Mineralölindustrie stammen ...
Hab zwar keine Ahnung bin aber restlos vom Gegenteil überzeugt
Meinung ohne Ahnung ist was Gefährliches, finde ich.
Niko hat geschrieben:na wenn es wirklich so wäre ..... dann würde das Öl doch alle Nase lang gewechselt werden müssen ..
Tatsächlich ist das Grundlagenchemie/-physik und der bereits genannte Effekt der "Zerschneidung" existiert:
schnabelorange hat geschrieben:
Nach dieser Aussage würde normales Getriebeöl nicht verschleissen!
Dann mach mal ein normales Getriebe nach 100tkm auf und prüf das Öl. Dagegen ist Wasser dickflüssig und schmierig
Es ist tatsächlich so dass Zahnräder mit ihrer Kontaktlinie die Ölketten wie eine Schere zerschneiden
Olaf hat geschrieben:
Motoröl wird auch mechanisch belastet, insbesondere in den Getrieben von Motorrädern, wenn es nur ein Öl gibt.
Dabei werden die langmoleküligen Ölbestandteile mit der Zeit zerhackt/gecrackt und kürzer. Die Ölviskosität im Motor sinkt!
Vielleicht sollte man sich erstmal durch den Kopf gehen lassen, was so ein Öl im Motor eigentlich verkraften muss? Ich hole zur Illustration mal etwas weiter aus:
Kurzer Exkurs: Öle bestehen in ihrer Mikrostruktur aus langkettigen Polymer-Molekülen, in der Tat so groß dass sie schon "Makro-Moleküle" heißen. Wo du deinen Finger nicht reinstecken möchtest, nämlich an den Kontaktflächen von Druck- und Reibbelastung wie Getriebe, Kolbenhemd etc etc., müssen diese Moleküle ihre Arbeit verrichten. Nur ergehts denen an den Kontaktflächen nicht besser als deinem hypothetischen Finger dazwischen; die Ketten werden rein mechanisch zerquetscht und dadurch kürzer. Je kürzer die werden, desto mehr nimmt die Viskosität ab und desto schlechter schmieren sie.
Kleines Experiment hierzu: Nimm eine Rolle Bindfaden und schneid mit der Schere 5 cm ab. Dann noch ein Stück von 200 cm. Nehmen wir zur Veranschaulichung an, das kleine Stück ist ein Wassermolekül und das große ein durchschnittliches Ölmolekül. Mach einen Knoten rein und denk dir, die Anzahl Knoten steht für die Schmierfähigkeit und Zähflüssigkeit. Wie oft kannst du die beiden Stücke jeweils zerschneiden, bis du auf 5 cm Stückchen rauskommst und wie schmierfähig bleibt dabei das Ölmolekül aus Bindfaden?
Kann man auch mit 100 ml Salatöl und Mixer zuhause ausprobieren, einfach 15 Minuten auf höchster Stufe quirlen (Achtung! Muss das Gerät auch hergeben!) und über Nacht stehen lassen.
Indyjaner hat geschrieben:Ich Denke wenn man alle 30 tkm neue Additive zugibt kann es auch weitergehen. Den Dreck macht der Filter weg.
Additive können die Scherfestigkeit rein physikalisch nicht verbessern.
Als nächstes kommen noch der Abrieb und Ruß ins Öl rein und die verbessern absolut nichts an der Schmierfähigkeit. Eher das Gegenteil und von diesem Gegenteil bin ICH restlos überzeugt. Oder warum wird im Forum alle paar Monate mal Panik wegen Bröseln im Ölsieb geschoben?
Der Abrieb im Öl kann zu verschlammen führen, die Partikel binden nämlich auch umgekehrt das Öl. Deshalb soll ein Ölwechsel im Wartungsintervall und auch eher betriebswarm durchgeführt werden, damit die Schlonze nicht in der Ölwanne zurück bleibt.
Beispiel: Motor braucht 2.5 Liter Öl laut Herstellervorgabe. Man lässt das alte Öl ab. 0.3 Liter fester Ölschlamm bleiben in der Ölwanne zurück. Man füllt 2.5 Liter auf und hat im Ölkreislauf plötzlich 2.8 Liter Materialvolumen - Pegel ist deutlich höher, KW kann im Extremfall fröhlich im Öl panschen und das so aufschäumen, dass es nicht mehr schmiert.
Ölschlamm kann sich aber auch an den Schmierstellen im Zylinderkopf absetzen und die entsprechenden Bohrungen verstopfen. Auch dann wird der Motor zum Dreitakter: Ansaugen, Verdichten, Fest.
Dieses Foto kursiert im Internet öfter:
Zeigt Ölschlamm im Zylinderkopf unter der Ventilhaube eines Audi TT VR6 mit gerade mal ~135 tkm Laufleistung ohne Ölwechsel. Du willst wirklich drüber nachdenken, sowas im Motor haben zu wollen um etwas Geld zu sparen?
Der Intervall liegt normalerweise bei 20-30 tkm oder 1 bzw 2 Jahre. Turbogeladene Direkteinspritzer und auch kleinere Hubräume sowie Magermotoren mit Schichtladung (VW TFSI, Ford EcoBoost, Fiat MultiAir usw) sind aufgrund der höheren Verbrennungstemperaturen und geringeren Toleranzen und damit verbundenen höheren Belastungen in der Regel früher dran, also nach 1 Jahr während Sauger und Saugrohreinspritzer eher alle 2 Jahre fällig sind.
So ein Turbolader hat einen eigenen Kühlwasser- und auch Öl-Zulauf! Die Turbine kann bis zu 300.000 Umdrehungen in der Minute machen, das sind unvorstellbare 5000 Umdrehungen PRO SEKUNDE! Die Abgastemperatur an den Turbinenschaufeln kann über 6000 °C betragen und die können die Wärme nur an der Welle abführen. Läuft die Welle trocken oder stimmt auch nur irgendwas mit deren Schmierung oder Kühlung nicht, frisst die innerhalb kürzester Zeit und ist Schrott.
Und solche kapitalen Schäden nämlich heißen auch so, weil sie ins Kapital gehen und deutlich mehr kosten als einmal im Jahr bzw. alle zwei Jahre mal die 250€ in die Hand zu nehmen damit der Mechaniker auch von was leben kann und zu verstehen, dass zuverlässige individuelle Mobilität auch ein kostenintensives Privileg ist.
Natürlich kann man die Intervalle zum Beispiel als Wenigfahrer mit relativ wenig Risiko verlängern. Bei 2000 Kilometern im Jahr reichts auch, alle drei Jahre zu wechseln.
Allzu lang sollte mans aber auch nicht aufschieben, denn da kommt nämlich das dritte Problem zum Vorschein: Oxidation. Dieses führt ebenfalls zum Verschlammen und dessen Auswirkungen siehe oben. Kann man auch zuhause in der Küche testen und die 100 ml Salatöl im Langzeitexperiment mal ein paar Jahre gammeln lassen. Olivenöl wird oft nach 6 Monaten offen ungenießbar. Oder, als Kurzversion: alle Kettenfett-Reste unter der Ritzelabdeckung wegputzen, die Konsistenz ist durchaus ähnlich.
Motoröl muss also drei wesentlichen Beanspruchungen standhalten:
- mechanische Belastung
- Verschmutzung
- Alterung durch Oxidation
Darüber hinaus gibts noch weitere Einflussgrößen auf die Alterung wie Verdünnung durch Kraftstoff, Ausdünsten von Additiven und Temperaturbelastung, die ich der Vollständigkeit halber wenigstens erwähnt haben möchte.
Wer sich drüber im Klaren ist, was das Öl im Motor aushalten muss und trotzdem glaubt ein regelmäßiger Ölwechsel wäre Firlefanz, glaubt wohl auch die Erde sei eine Scheibe.
PS: Wer auch ein Küchenexperiment zur Ölverschlammung möchte, der darf 100g Zucker und 20g Mehl von Hand gleichmäßig in die 100 ml Salatöl einrühren und dann zwischen den Fingern ausprobieren, obs kratzig ist. Optional erwämen und wieder abkühlen lassen. Alle Experimente auf eigene Gefahr, aber bitte nicht die PSA vergessen.